
Als Koalition wollen wir einen eigenen Landesbeauftragten für psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Denn das psychotherapeutische und auch das psychiatrische Angebot für Kinder und Jugendliche in Berlin deckt bei Weitem nicht den Bedarf. Und das in einer Situation, in der dieser Bedarf immer weiter steigt. Wenn man sich vorstellt, was das für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet, dann muss man die Lage als sehr schwierig bezeichnen. Es ist daher unverständlich, dass es in dieser Situation keinen eigenen Landesbeauftragten für psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gibt. Das sagen auch einhellig die meisten Expertinnen und Experten, zuletzt auch in einer Anhörung im Gesundheitsausschuss, denn die Interessen von Kindern und Jugendlichen auf eine funktionierende Versorgung bei psychischen Erkrankungen müssen eigenständig vertreten werden.
In meiner Rede dazu mache ich deutlich, dass das Thema seelische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen zu wichtig ist, und die Folgen einer mangelhaften Versorgung zu weitreichend sind, als dass es liegengelassen werden kann. Deshalb steht das Thema auf unserer Tagesordnung, und wir, die SPD-Fraktion, werden uns für weitere Verbesserungen einsetzen. Der Landesarzt ist dafür ein erster Baustein.
Hier meine Rede im Video:
Und hier meine Rede im Wortlaut:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Es ist ja grundsätzlich ganz klug, auf Experten zu hören, erst recht bei Themen, in denen man selbst nicht unmittelbar drinsteckt, vielleicht nicht die Vielschichtigkeit und unmittelbare Betroffenensicht kennt, zum Beispiel beim Thema psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Als Abgeordnete sind wir da nicht per se Experten. Deshalb ist es gut, dass wir im Gesundheitsausschuss eine Anhörung zur Situation der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Berlin hatten. Ich muss sagen, was wir da von den verschiedenen Experten zu hören bekommen haben, davon klingen mir noch immer die Ohren.
Ziemlich deutlich wurde, dass die Versorgungssituation in Berlin sehr angespannt ist. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus unserer Anhörung Frau Dr. Schwietering vom Berufsverband Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Deutschland: „Wir haben unseren Versorgungsauftrag im ersten Quartal 2024 zu 100 Prozent erfüllt … Das heißt, wir können die Versorgung nicht mehr steigern. Alle Praxen sind am Limit. Wir können kaum neue Patienten behandeln. Alle Praxen haben immer wieder einen Aufnahmestopp.“ – Zitat Ende.
Wenn man das etwas direkter formulieren möchte, dann bedeutet das nichts anderes als eine völlige Überlastung derer, die Jugendlichen und Erwachsenen dabei helfen, mit psychischen Problemen umzugehen, was zur Folge hat, dass nicht alle Patientinnen und Patienten bedarfsgerecht versorgt werden können. Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen nehmen insgesamt zu. Die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste der Bezirke sind überlastet, die ambulanten Praxen voll ausgelastet und die stationären Angebote auch. Das psychotherapeutische und auch das psychiatrische Angebot für Kinder und Jugendliche in Berlin deckt bei Weitem nicht den Bedarf, und das in einer Situation, in der dieser Bedarf immer weiter steigt. Wenn man sich vorstellt, was das für die Betroffenen und ihre Familien bedeutet, dann muss man die Lage als sehr schwierig bezeichnen. Dass es in dieser Situation keinen eigenen Landesbeauftragten für psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen gibt und nicht mal mehr den benannten ehrenamtlichen Landesarzt, stieß bei allen anwesenden Experten auf einhelliges Unverständnis, denn die Interessen von Kindern und Jugendlichen auf eine funktionierende Versorgung bei psychischen Erkrankungen müssen eigenständig vertreten werden, mitmeinen ihrer Bedarfe reicht nicht aus.
Für mich ist klar: Über diese sehr dringlichen Hinweise können wir nicht einfach hinweggehen. Wir haben die politische Verantwortung, hier für Verbesserungen zu sorgen und über verschiedene Maßnahmen ein funktionierendes Angebot an psychiatrischer und therapeutischer Versorgung für Kinder und Jugendliche sicherzustellen, ein dickes Brett, ohne Frage, denn es mangelt hier an vielen Ecken und Enden. Ein großes Problem ist nach wie vor die eigenwillige Bedarfsplanung an Therapeuten für Kinder und Jugendliche. Diese deckt augenscheinlich schon länger nicht den tatsächlichen Bedarf. Der G-BA ist an dem Thema dran, und es ist wirklich wichtig, dass es hier zu einer baldigen Verbesserung kommt.
Auch die Coronapandemie hat zu einer Verschlechterung des Verhältnisses von Angebot und Nachfrage geführt. Klar, ein schon vorher nicht ausreichendes Versorgungssystem muss nun auch noch den durch die Pandemie entstandenen Mehrbedarf schultern. Das kann nicht funktionieren. Die Zunahme der diversen anderen gesellschaftlichen Krisen und Veränderungen, die wir derzeit durchlaufen, und der zu hohe und oft ungefilterte Konsum der neuen Medien gehen ebenso nicht spurlos an Jugendlichen vorbei. Diese Entwicklung erfordert die Verfügbarkeit passender Hilfsangebote, denn wenn eine psychotherapeutische Behandlung angezeigt ist, sollte diese auch sehr schnell beginnen. Das gilt für Erwachsene genauso wie für Kinder und Jugendliche. In der Realität müssen aber fast immer sehr lange Wartezeiten hingenommen werden.
Die Versorgungssituation ist also sehr angespannt und das schon eine Weile. Hier besteht in vielerlei Hinsicht Handlungsbedarf, und ein erster Schritt für eine Verbesserung ist für uns, dass der ehrenamtliche Landesarzt mit Schwerpunkt für psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen endlich wieder eingesetzt wird.
Den gab es aus gutem Grund jahrelang, seit 2021 aber nicht mehr, und das wollen wir jetzt ändern. Wir wollen den seelischen Anliegen der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt wieder eine hörbare Stimme geben. Wir wollen, dass sich wieder eine Person der Thematik in besonderem Maße annimmt und die Interessen psychisch kranker Minderjähriger vertritt.
Es gibt zwar nach über einem Jahr endlich wieder eine Landesbeauftragte allgemein für psychische Gesundheit in Berlin. Aber diese eine einzige Stelle ist nicht ausreichend, um neben allem anderen auch die Belange von Kindern und Jugendlichen mitzudenken, denn es reicht nicht, ihre Situation einfach ein bisschen mitzudenken. Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben andere Bedürfnisse als Erwachsene, brauchen andere Hilfestrukturen und durchlaufen sehr kurzfristig ganz andere Entwicklungsstufen. Darum geht es: anzuerkennen, dass die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eigene, andere Bedarfe hat und sich diese in den Hilfestrukturen auch ausreichend abbilden müssen.
Es geht um den politischen Willen, diesen Bedarfen gerecht zu werden. Es geht um die öffentliche und politische Wahrnehmung dieser Belange und ihre Repräsentation in den öffentlichen Institutionen und Gremien, und es geht um die erforderliche Entwicklung von Versorgungsstrukturen an der Schnittstelle zwischen Schule und Gesundheitsversorgung. Der Deutsche Ethikrat hat schon 2022 darauf hingewiesen, dass wir als Gesellschaft Kindern und Jugendlichen konkretes Handeln schulden, um unterstützende Angebote auszubauen und um Versorgungslücken zu schließen. Das ist bisher nicht ausreichend passiert. Hier brauchen wir die starke und laute Stimme eines Landesarztes. Das Thema seelische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen ist zu wichtig, und die Folgen einer mangelhaften Versorgung sind zu weitreichend, als dass es liegengelassen werden kann. Es steht auf unserer Tagesordnung, und wir, die SPD-Fraktion, werden uns für weitere Verbesserungen einsetzen. Der Landesarzt ist dafür ein erster Baustein. – Vielen Dank