Meine Rede im Parlament als Video finden Sie hier auf den Seiten des RBB: https://www.rbb-online.de/imparlament/berlin/2021/28–januar-2021/28_Januar_2021—71—des-Berliner-Abgeordnetenhauses1/bettina-koenig–spd—top5-2.html
Nachfolgend finden Sie den Text meiner Rede zum „Bildungs- und Betreuungsausgleich für Berliner Familien“ am 28. Januar 2021 im Abgeordnetenhaus von Berlin.
Herr Präsident,
Meine Damen und Herren,
stellen Sie sich die folgende Situation vor:
Die dreijährige Tochter will vorgelesen bekommen. Ihr ist langweilig, nachdem sie schon alleine gepuzzelt hat. Der Achtjährige braucht Hilfe bei einem Arbeitsblatt zum Thema Verben. Außerdem ist da vielleicht auch noch der 12jährige, der nicht versteht, wie man die physikalische Dichte berechnet. Es ist 9.30 Uhr. Eigentlich warten auf die Mutter viele Emails, die beantwortet werden müssen und der Vater ist in einer Telko. Das alles ist gerade der Alltag in vielen Familien. Dass alles ist kein Spaß. Es ist ein unglaubliche Herausforderung und Anstrengung, der sich hunderttausende Eltern in Berlin zur Zeit Tag für Tag stellen müssen.
Seit Mitte Dezember geht das wieder so. Wir haben schon beim ersten Mal der Schließungen im letzten Frühjahr gelernt: Kinderbetreuung und Homeoffice das passt nicht gut zusammen. Da bleibt immer etwas auf der Strecke. Jetzt befinden wir uns wieder in der gleichen Situation und an den Rahmenbedingungen hat sich leider wenig verändert.
Die erneute Schließung der Schulen und Kitas ist gesundheitspolitisch richtig, gleichzeitig bedeutet sie für Familien eine große Belastung. Ein Belastung, die Spuren in den Familien hinterlässt. Es ist deshalb erforderlich, Eltern endlich zu entlasten.
Der einzige Weg, Eltern zu entlasten ist es, Ihnen Zeit zu geben. Zusätzlich Zeit. Zeit, damit die Eltern die Betreuung und die Beschulung, die sonst andere übernehmen, wirklich leisten können. Zeit für Betreuung und Unterstützung würde Druck und Stress aus den Familien nehmen. Und damit arbeitende Eltern sich Zeit nehmen können, müssen sie ihre eigene Arbeitsleistung reduzieren können. Das geht für die allermeisten aber nicht ohne finanziellen Ausgleich.
Leider ist bisher wenig passiert, um Familien adäquat zu helfen. Und es ist derzeit völlig unabsehbar, wie lange die Schließung von Schule und Kita sich noch hinziehen wird.
Die SPD-Fraktion Berlin hat sich bereits im Juni 2020 als einzige Fraktion überhaupt (!) Gedanken gemacht, wie die Familien in dieser Zeit der Doppelbelastung unterstützt werden können. Wir haben darum ein Corona-Elterngeld vorgeschlagen. Das wäre eine Lohnersatzleistung für Eltern, die Betreuungsarbeit übernehmen müssen. So hätten sie ein echte Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Wir haben es nicht nur vorgeschlagen, sondern auch dafür gesorgt, dass das notwendige Geld im Nachtragshaushalt bereit gestellt wird. Der Senat sollte ein Konzept für die Umsetzbarkeit dieses Corona – Elterngeld entwickeln.
Heute 8 Monate später muss ich leider feststellen, dass der Senat noch nichts vorgelegt hat. Trotz der nachvollziehbaren Arbeitsbelastung des Senats fehlt mir dafür das Verständnis. Schon im Sommer war von einer kommenden zweiten Welle die Rede. Es war klar, dass die Pandemie noch nicht vorbei ist und entsprechend auch die Belastungen der Eltern wieder zunehmen könnte.
Was der Senat aber zumindest gemacht hat ist, Kleinstgruppen in Kitas zu finanzieren, damit Kinder aus Hochrisikogruppen überhaupt noch in die Kita gehen können, wenn sie denn im Normalbetrieb sind.
Nun gibt es aber seit Mitte Januar immerhin endlich Familien-Unterstützung von der Bundesregierung. Die Kinderkranktage wurden verdoppelt und können im Fall der Schließung von Betreuungseinrichtungen genutzt werden. Das ist gut und geht in die richtige Richtung. Der Lohnersatz beim Kindkrankgeld beträgt zwischen 90-100%.
Allerdings ist der Betrag in der Höhe gedeckelt und es profitiert nicht jede Familie davon, Selbständige z.B. nicht. Hier kann man noch mehr machen. Und hier will jetzt, so wurde mir berichtet, der Senat ansetzen, in dem er genau die Familien, wo die gesetzliche Krankenversicherung nicht greift, unterstützt. Es passiert also so langsam endlich etwas.
Ob diese jetzt endlich beschlossene Regelung der Kindkranktage ausreichen wird, lässt sich heute noch nicht sagen.
Ich finde, dass Eltern so lange Unterstützung erhalten müssen, bis die Kinderbetreuung und Beschulung wieder auf Normalniveau läuft und nicht nur für eine vorher definierte Anzahl an Tagen. Und ich würde mir sehr wünschen, dass der Bund und der Senat hier vorausschauend entsprechende Konzepte entwickeln.
Liebe fdp – ich werde ihren Antrag jetzt nicht zerpflücken. Das könnte man. Weil man wie immer darüber streiten kann, was genau der richtige Weg zur Lösung eines Problems ist. Ich könnte fragen, warum der Lohnersatz gerade 60% sein sollen, ob man davon leben kann, zB als Geringverdiener. Ich könnte fragen, warum Sie nicht früher auf die Idee gekommen sind. Aber das mach ich nicht. Weil es richtig ist , dass Entlastung von Familien zum Thema gemacht wird. Und ich freu mich, dass Sie es zum Thema machen, insbesondere, weil die FDP nicht gerade für Themen des sozialen Ausgleichs bekannt ist. Dass sogar Sie das jetzt machen, zeigt aber auch wie dringend notwendig es ist, dass jetzt endlich etwas Umfassendes zur Unterstützung von Familien getan wird – vom Bund und auch vom Senat!