Am Donnerstag haben wir im Abgeordnetenhaus einen Antrag vorgelegt, um einen Runden Tisch für Kindergesundheit einzurichten. Damit wollen wir alle wichtigen Akteure des Bereichs zusammenbringen, um Lösungen zu erarbeiten, damit wir eine bessere Versorgungssituation für Kinder schaffen können. In meiner Rede dazu mache ich deutlich, dass der aktuelle Versorgungsengpass mit wochenlangem Warten, fehlenden Behandlungsplätzen und überlasteten Strukturen nicht hinnehmbar ist. Als Koalition wollen wir die Kinder- und Jugendmedizin in Berlin deutlich stärken und der Runde Tisch soll dafür ein erster Baustein sein.
Hier meine Rede im Video
Hier meine Rede im Wortlaut
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die Koalition bringt heute einen Antrag zur Einrichtung eines Runden Tisches Kindergesundheit ein. Alle wichtigen handelnden Akteure dieses Bereiches sollen sich zusammensetzen und Lösungen finden, wie kurz-, mittel- und langfristig in Berlin eine bessere Versorgungssituation für Kinder geschaffen werden kann. Es gibt sehr viele, sehr gute Gründe, das Augenmerk deutlich stärker auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu legen. Denken Sie an den letzten Winter zurück! Wir hatten Schlagzeilen, wie „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das erste Kind stirbt“, „Überlastete Kinderkliniken in Berlin“ und „Berliner Kinderstationen lehnen regelmäßig Patienten ab“. Auch wenn der schlimmste Fall, der Tod eines Kindes aufgrund mangelnder Versorgungslage, zum Glück nicht eingetreten ist, sind das Schlagzeilen und Zustände, die nicht hinnehmbar sind. Wir haben einen Versorgungsengpass, und das ist ein nicht akzeptabler Zustand, und zwar weder für die betroffenen Kinder und Familien noch für das Fachpersonal in Praxen und Krankenhäusern.
Da verwundern auch nicht die diversen Brandbriefe, die Mediziner und Pflegekräfte, so zum Beispiel die Initiative der Kinderkliniken, wiederholt mit dringenden Warnungen und aufzeigendem Handlungsbedarf an uns Politiker schicken. In diesen wird sehr deutlich, dass an diversen Stellen massiver Handlungsbedarf für alle politischen Ebenen, also für Bund und Land, besteht.
Aber nicht nur stationär, auch ambulant gibt es große Probleme. Versuchen Sie mal, in einem der Berliner Randbezirke, zum Beispiel Marzahn-Hellersdorf oder Pankow-Nord, einen Kinderarzt zu finden, wenn Sie ein Neugeborenes haben, oder zeitnah einen Behandlungstermin für Ihr Kind zu bekommen. Das ist durchaus eine Herausforderung und bedarf einer ziemlichen Hartnäckigkeit. Auch das ist nicht das, was wir uns als Koalition unter einer guten Versorgung vorstellen. Was passiert, wenn Eltern keinen Arzttermin für ihr Kind bekommen? – Sie wenden sich im Zweifel an die Rettungsstellen, was dort weitere Überlastung produziert. Weil dies eben ein in sich geschlossener, logischer Kreislauf ist, dürfen auch die niedergelassenen Ärzte in der Gesamtbetrachtung nicht vergessen werden, wenn man eine Verbesserung des gesamten Versorgungssystems erreichen und die kinder- und jugendmedizinischen Versorgungsengpässe in Berlin beenden will.
Diese Probleme kamen nicht von heute auf morgen, sondern haben sich über Jahre entwickelt und verfestigt. Und dann kam Corona. Auf ein bereits überlastetes System traf dann auch noch eine Pandemie. Zwar waren nur wenige Kinder von Corona an sich betroffen, die Lockdowns, die Ängste, die eine Pandemie mit sich bringen, der Bewegungsmangel und die Isolierung führten aber zu gesundheitlichen Folgeproblemen und psychischen Belastungen, die das überlastete System jetzt nicht ohne Weiteres zusätzlich auffangen kann. Seit der Pandemie gibt es mehr diagnostizierte Depressionen, mehr diagnostizierte Essstörungen, mehr diagnostizierte Adipositasfälle und mehr Kinder und Jugendliche, die unter Angstzuständen leiden, wie zum Beispiel der DAK-Kinder- und Jugendreport 2022, aber auch der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Gesundheitliche Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche durch Corona“ diagnostizieren. Hier muss also auch entsprechend gehandelt werden, damit das Mehr an notwendiger Versorgung vorhanden ist.
Das führt mich zu einem weiteren Bereich, in dem es Versorgungsengpässe gibt. Wir haben seit geraumer Zeit, auch das schon weit vor der Pandemie, einen Mangel an stationären, aber auch ambulanten Psychotherapieplätzen für Kinder und Jugendliche. Auch hier gibt es also für die Betroffenen extrem lange Wartezeiten, viel zu wenig und überlastetes Personal, und die Versorgungskapazitäten reichen nicht aus. Wir müssen dafür sorgen, dass der Versorgungsauftrag wieder besser erfüllt werden kann.
All das sind Probleme, die sich offenbaren, und Befunde, die wir nicht einfach als Erkenntnis stehen lassen können, sondern die einen massiven Handlungsbedarf aufzeigen. Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, damit ein gesundes Aufwachsen für Kinder und Jugendliche der Standard und nicht die Ausnahme wird. Wir müssen verhindern, dass die psychischen und körperlichen Belastungen aus der Pandemie sich verfestigen. Es geht um unsere Kinder. Sie haben etwas Besseres verdient, als wochenlanges Warten, fehlende Behandlungsplätze und überlastete Strukturen. Der Grundstein für eine gute Gesundheit wird in der Kindheit gelegt. Auch wenn es die Landesgesundheitskonferenz mit der Unterarbeitsgruppe „Gesundes Aufwachsen“ gibt, wird durch diese diversen, immer stärker aufploppenden Belastungen und Baustellen einfach deutlich, dass hier mehr getan werden muss. Die vormalige Gesundheitssenatorin Gothe hat hier wenig agiert und zurückhaltend reagiert. Dies soll nun mit der neuen Koalition anders werden. Wir haben schon im Koalitionsvertrag deutlich gemacht, dass wir die Kinder- und Jugendmedizin in Berlin deutlich stärken wollen. Der Runde Tisch soll dafür ein erster Baustein sein. – Vielen Dank!